Ein Beitrag zur Aufklärung und Blamageprävention, in 9 Grafiken
Von Rosalie Marktl, Sebastian Panny und Daniela Riess
Der türkischstämmige Kebabverkäufer ums Eck, die Kellnerin mit Akzent im Lieblingscafé, der nette Nachbar mit der dunklen Hautfarbe, die Familien in Traiskirchen. „Asylanten halt“. Nicht selten fliegt uns diese Phrase im Wirtshaus oder beim Spaziergang um die Ohren. Aber ist der stets zu Scherzen aufgelegte Erkan vom Kebabstand überhaupt ein Asylwerber? Ist die junge Kellnerin ein Flüchtling? Oder eine Migrantin? Wie verhält es sich mit dem netten Nachbarn, wie bezeichnet man die Menschen in Traiskirchen? Begriffe gibt es viele – nicht alle werden richtig verwendet. Wir haben uns die wichtigsten Fakten zum Thema Asyl angesehen.
Wer ist ein/e Migrant*in?
Migrant*innen ziehen freiwillig in ein anderes Land. Sie wollen im Ausland studieren oder arbeiten – oder einfach ein neues Leben beginnen. Sie sind nicht auf der Flucht. Dabei unterscheiden wir Immigrant*innen (in ein Land Einreisende) und Emigrant*innen (aus einem Land Ausreisende).
Was heißt Asyl?
Asyl bedeutet Schutz. Menschen, die um Asyl ansuchen, bitten um internationalen Schutz vor Verfolgung in ihrem Herkunftsland. Wer sind die Menschen, die in Österreich um Schutz bitten?
Wer ist ein Flüchtling?
Flüchtlinge müssen aus ihrem Heimatland fliehen, weil sie verfolgt werden.
Die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) legt fest, unter welchen Umständen Menschen als Flüchtlinge anerkannt werden. Österreich hat die GFK unterschrieben und ist somit zu ihrer Einhaltung verpflichtet. Auf der Webseite des österreichischen Innenministeriums ist zu lesen: „Die GFK schützt jene Menschen, die in ihrem Heimatland aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung eine begründete Furcht vor Verfolgung haben.“
Aus welchen Ländern sind die Menschen seit 2002 nach Österreich geflüchtet?
Folgende Grafik zeigt, wie sich die Zahl von Asylwerber*innen aus ausgewählten Herkunftsländern seit 2002 entwickelt hat. Zu Beginn waren es vor allem Menschen, die vor den Konflikten im Kosovo und in Tschetschenien geflohen sind. Während der europäischen Flüchtlingskrise im Jahr 2015 sind in erster Linie Menschen aus Afghanistan und Syrien nach Österreich gekommen.
Was bedeutet Asylwerber*in?
Flüchtlinge können im Ausland um Asyl – also internationalen Schutz – ansuchen. Der Flüchtling muss den Antrag persönlich stellen. Er wird befragt und sein individueller Fall wird in einem Asylverfahren geprüft, bevor das Asyl entweder zugelassen oder abgewiesen wird. Man spricht dann von einem positiven oder einem negativen Asylbescheid.
Im Jahr 2015 wurden in Österreich die meisten Asylanträge seit Beginn der Republik gestellt. Es war das Jahr, in dem die europäische Flüchtlingskrise stattgefunden hat.
Wie läuft ein Asylverfahren ab?
Nach der Stellung eines Asylantrags wird geprüft, ob alle Voraussetzungen erfüllt sind und der Antrag zu einem Asylverfahren zugelassen werden kann. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) prüft, ob die asylwerbende Person schon in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt hat und ob sie in ihrem Herkunftsland verfolgt wird. Das BFA muss der/dem Asylwerber*in binnen 6 Monaten mitteilen, ob er/sie in Österreich bleiben darf.
Die Realität sieht anders aus: In Wien warten über 85% der Menschen länger als ein Jahr auf die Beendigung ihres Asylverfahrens. Erst wenn das Verfahren beendet ist, wissen sie, ob sie als asylberechtigt oder subsidiär schutzberechtigt gelten – oder wieder ausreisen müssen.
Wer ist asylberechtigt?
Sobald ein gestellter Asylantrag bewilligt wurde, steht der Flüchtling unter internationalem Schutz. Er darf in dem Land bleiben, in dem der Asylantrag bewilligt wurde. Jetzt spricht man nicht mehr von einer/m Asylwerber*in, sondern von einer/m Asylberechtigten oder einem anerkannten Flüchtling. Er/Sie darf in Österreich arbeiten.
Wer ist subsidiär schutzberechtigt?
Subsidiär Schutzberechtigte sind keine Asylberechtigten, weil ihr Asylantrag mangels Verfolgung abgelehnt wurde. Trotzdem dürfen sie für eine bestimmte Zeit nicht abgeschoben werden, weil ihr Leben oder ihre Gesundheit im Herkunftsland bedroht wird. Das ist beispielsweise bei Umweltkatastrophen oder Kriegen der Fall. Subsidiär Schutzberechtigte dürfen – wie Asylberechtigte – in Österreich arbeiten.
In den Jahren nach größeren Fluchtbewegungen steigt in Österreich die Zahl der positiven Asylbescheide. Das liegt an der Verfahrensdauer – also der Zeitspanne zwischen der Antragstellung und dem übermittelten Asylbescheid. Wir können Höhepunkte in den Jahren 2004 und 2016/2017 erkennen.
Österreich vergibt EU-weit die meisten positiven Asylbescheide
Pro 1000 Einwohner*innen werden in Österreich 2.3 Asylverfahren positiv beendet. Deutschland vergibt pro 1000 Einwohner*innen 1.7 positive Asylbescheide, der EU-Durchschnitt liegt bei 0.7.
Andere EU-Länder mit ähnlich hoher Einwohnerzahl wie Österreich – Ungarn, Portugal oder Tschechien zum Beispiel – scheinen in der Liste der EU-Länder mit den meisten positiven Bescheiden nicht auf.
Welches Land ist für welchen Asylantrag verantwortlich?
Sollte ein Flüchtling bereits einen Aufenthaltstitel erhalten oder einen Asylantrag in einem anderen Land der EU (bzw. in Norwegen, Island, Liechtenstein oder der Schweiz) gestellt haben, kann er keinen zweiten Antrag stellen. Ein laufendes Asylverfahren bzw. ein bestätigter Aufenthaltstitel verpflichtet den (anerkannten) Flüchtling dazu, im Schutzland zu bleiben.
Das Land, das den ersten Asylantrag erhalten hat, ist also auch für das Asylverfahren zuständig. Folgende Grafik zeigt die im Jahr 2018 gestellten Asylanträge pro 1000 Einwohner*innen.
Griechenland hat 2018 EU-weit die meisten Asylanträge (6.2 pro 1000 Einwohner*innen) bekommen, weil die meisten Flüchtlinge hier in die EU einreisen. Im Vergleich: Deutschland verbuchte 2.2, Österreich 1.6 Asylanträge pro 1000 Einwohner*innen. Der EU-weite Schnitt lag 2018 bei 1.1.
Deutschland als begehrtes Ziel
Viele Flüchtlinge wollen nach Deutschland kommen: Fast 60% aller in der EU gestellten Asylanträge fielen 2016 auf Deutschland. Doch was bedeutet das im Verhältnis zur Einwohnerzahl Deutschlands? Wir haben uns an den Beispielen Österreich, Deutschland und Ungarn angesehen, wie sich die Zahl der Asylanträge im Vergleich zur Bevölkerungszahl seit 2008 entwickelt hat. Alle Zahlen beziehen sich auf die EU-weiten Gesamtwerte.
Im Vergleich zu Deutschland und Ungarn weist Österreich eine konstantere Zahl an Asylanträgen auf. Beide Länder verzeichneten 2015 und 2016 einen starken Anstieg an Anträgen. In Ungarn ist dieser Trend schnell wieder abgeflacht – was auch am dortigen Umgang mit Asylwerber*innen liegen mag.
Wann endet der Asylaufenthalt?
Für Asylwerber*innen, Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte ist der Aufenthalt in ihrem Schutzland begrenzt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sogenannte „aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ definiert – also Voraussetzungen, unter denen die Menschen wieder in ihr Herkunftsland zurückreisen müssen. So eine Voraussetzung kann zum Beispiel das Ende eines Krieges sein. Erfolgt diese Rückkehr unfreiwillig – also unter Zwang – spricht man von einer Abschiebung.
Kleiner Tipp: Eine Übersicht aller Definition findet ihr auf www.bmi.gv.at.
Zurück zu Erkan an den Kebabstand
Statuscheck nach genauerer Information: Erkan ist – nachdem er im Kebabstand schon seit über einem Jahr arbeitet – vermutlich Asylberechtigter (aufgrund der Kurdenverfolgung). Ähnlich verhält es sich mit der angestellten Kellnerin. Da sie arbeitet, kann sie aber auch subsidiär schutzberechtigt sein. Nachdem der nette Nachbar mit der dunklen Hautfarbe in einer Wohnung lebt und nicht in einem Flüchtlingszentrum, ist auch er asyl- oder schutzberechtigt – oder sowieso österreichischer Staatsbürger. Anders als die vielen Menschen in Traiskirchen. Sie warten auf ihren Asylbescheid aus dem BFA, sind also noch Asylwerber*innen.
Ihr seht, mit etwas mehr Background-Wissen lässt es sich schon besser und auch wahrheitsgetreuer spekulieren und verstehen. Und wer lieber Nägel mit Köpfen machen will: einfach ein freundliches Pläuschchen mit dem Menschen hinter dem Asyl-Flüchtlings-Ausländer-Theater initiieren und selbst nachfragen.